Schwa­cher Win­ter drückt Wirt­schafts­leis­tung 2023 ins Minus

IfW Kiel, Pres­se­mit­tei­lung vom 15.06.2023

Für die Wirt­schafts­leis­tung in Deutsch­land zeich­net sich 2023 ein Rück­gang ab. Das IfW Kiel erwar­tet im Ver­gleich zum Vor­jahr ein Minus von 0,3 Pro­zent und revi­diert damit sei­ne Früh­jahrs­pro­gno­se (+0,5 Pro­zent) deut­lich nach unten. Grund ist vor allem das schwa­che zurück­lie­gen­de Win­ter­halb­jahr. Im rest­li­chen Jah­res­ver­lauf ist aber eine mode­ra­te Expan­si­on zu erwar­ten. Für 2024 rech­net das IfW Kiel nun mit einem Plus von 1,8 Pro­zent (bis­lang +1,4 Pro­zent). Die Infla­ti­on dürf­te sich im Ver­lauf des Jah­res deut­lich ver­rin­gern und 2024 noch 2,1 Pro­zent betragen.

„In Anbe­tracht der schwe­ren der Kri­se und dem Lie­fer­stopp von Öl und Gas aus Russ­land schlägt sich die deut­sche Wirt­schaft wacker und bestä­tigt damit ihre Fähig­keit, sich schnell an neue Gege­ben­hei­ten anzu­pas­sen“, sag­te Moritz Schul­a­rick, der Prä­si­dent des IfW Kiel. „Aber klar ist auch, dass die Ener­gie­kri­se ihre Spu­ren hin­ter­las­sen hat.“

„Der Aus­blick für die deut­sche Wirt­schaft ist bes­ser, als es die nega­ti­ve Jah­res­ra­te für das Brut­to­in­lands­pro­dukt ver­mu­ten lässt. Ein nach wie vor gro­ßes Auf­hol­po­ten­zi­al nach der Coro­na-Pan­de­mie, hohe Auf­trags­be­stän­de in der Indus­trie und dem­nächst kräf­ti­ge Kauf­kraft­zu­wäch­se bei einem sta­bi­len Arbeits­markt sind die Zuta­ten, die die Kon­junk­tur stüt­zen“, kom­men­tiert Ste­fan Kooths, Kon­junk­tur­chef des IfW Kiel, die aktu­el­le Som­mer­pro­gno­se für Deutsch­land und die Weltwirtschaft.

Ver­gli­chen zur Früh­jahrs­pro­gno­se des IfW Kiel haben die Nach­we­hen der Ener­gie­kri­se sowie die straf­fe Geld­po­li­tik der deut­schen Wirt­schaft im Win­ter­halb­jahr aber etwas stär­ker zuge­setzt als zunächst erwar­tet. Mit einem unge­wöhn­lich hohen Kran­ken­stand und einem Ein­bruch des Staats­kon­sums nach Ende der Coro­na-Maß­nah­men dämpf­ten außer­dem zwei Son­der­ef­fek­te die Wirt­schafts­leis­tung merk­lich. Nach wie vor las­ten der Arbeits­kräf­te­man­gel und die Lie­fer­eng­päs­se auf der Kon­junk­tur. Gegen­wär­tig liegt das Brut­to­in­lands­pro­dukt (BIP) noch 0,5 Pro­zent unter dem Niveau vor Aus­bruch der Corona-Pandemie.

„Ins­ge­samt steht die deut­sche Kon­junk­tur im Span­nungs­feld zwi­schen erheb­li­chen Expan­si­ons­spiel­räu­men und bis­lang recht hart­nä­cki­gen pro­duk­ti­ons­sei­ti­gen Hemm­nis­sen. In dem Maße, wie die­se nach und nach über­wun­den wer­den, kann auch die Wirt­schafts­leis­tung wie­der anzie­hen“, so Kooths.

Die Ener­gie­prei­se und mit ihnen die Infla­ti­ons­ra­te gehen im Jah­res­ver­lauf zurück, im nächs­ten Jahr dürf­ten die Ener­gie­prei­se um über 6 Pro­zent fal­len. Das IfW Kiel erwar­tet nun eine Teue­rung von 5,8 Pro­zent (2023) und 2,1 Pro­zent (2024).

His­to­risch hoch bleibt aber die soge­nann­te Kern­in­fla­ti­on – also ohne Ener­gie. Sie liegt im nächs­ten Jahr bei 2,9 Pro­zent, im lang­jäh­ri­gen Durch­schnitt sind es 1,4 Prozent.

Kon­sum zieht an, Dienst­leis­tungs­bran­chen legen zu

Die Kauf­kraft vie­ler Men­schen nimmt dank kräf­ti­ger Ver­dienst­zu­wäch­se und höhe­rer Sozi­al­leis­tun­gen bei gleich­zei­tig gerin­ge­rem Preis­auf­trieb bereits im wei­te­ren Ver­lauf des Jah­res merk­lich zu. Dies ver­leiht dem zuletzt sehr schwa­chen pri­va­ten Kon­sum Auf­trieb, auf Jah­res­sicht zeigt sich dies erst in den Wer­ten für 2024 (2,7 Pro­zent), nach einem Rück­gang um 1 Pro­zent im lau­fen­den Jahr.

„Ein Teil des dras­ti­schen Preis­auf­triebs, der zunächst die Gewinn­mar­gen stei­gen ließ, kommt nun in Form von höhe­ren Löh­nen bei den Arbeit­neh­mer­haus­hal­ten an. Damit nor­ma­li­siert sich das Ver­tei­lungs­ge­fü­ge, was dem Kon­sum zugu­te­kommt, ohne die Infla­ti­on kos­ten­sei­tig anzu­trei­ben“, so Kooths.

Davon pro­fi­tie­ren vor allem die Dienst­leis­tungs­bran­chen, also etwa der Ein­zel­han­del oder das Hotel- und Gast­stät­ten­ge­wer­be. Sie kön­nen wie­der kräf­ti­ge Anstie­ge in der Wert­schöp­fung erwar­ten und die zuvor erlit­te­nen Ein­bu­ßen all­mäh­lich wettmachen.

Arbeits­markt robust, staat­li­ches Defi­zit sinkt

Die Kri­se am Bau infol­ge gestie­ge­ner Zin­sen und wei­ter­hin sehr hoher Bau­prei­se setzt sich fort, vor allem im Woh­nungs­bau sind die Inves­ti­tio­nen mit ‑4,2 Pro­zent (2023) und ‑3 Pro­zent (2024) spür­bar rückläufig.

Auf dem Arbeits­markt blei­ben die Aus­wir­kun­gen der Ener­gie­kri­se über­schau­bar. Die Arbeits­lo­sen­quo­te dürf­te von 5,3 Pro­zent (2022) leicht auf 5,6 Pro­zent (2023) stei­gen und anschlie­ßend wie­der auf 5,3 Pro­zent (2024) sin­ken. Wegen des Alterns der Bevöl­ke­rung dürf­te die Erwerbs­tä­tig­keit im lau­fen­den Jahr mit gut 45,9 Mil­lio­nen Beschäf­tig­ten ihren Zenit errei­chen und anschlie­ßend sinken.

Die Fehl­be­trä­ge in den öffent­li­chen Haus­hal­ten sin­ken. Maß­geb­lich sind der Weg­fall kri­sen­be­zo­ge­ner Aus­ga­ben und stei­gen­de Ein­nah­men der Sozi­al­ver­si­che­run­gen. Das staat­li­che Defi­zit sinkt von 2,7 Pro­zent (2022) auf 1,7 Pro­zent (2023) und 0,9 Pro­zent (2024). Der Schul­den­stand im Ver­hält­nis zum BIP liegt dann bei 63 Prozent.

Aus­sich­ten für Welt­kon­junk­tur etwas aufgehellt

Die Welt­pro­duk­ti­on dürf­te nach 3,3 Pro­zent im letz­ten Jahr um 2,8 Pro­zent (2023) und 3,0 Pro­zent (2024) stei­gen. Posi­tiv wirkt, dass die Ener­gie­prei­se wie­der deut­lich gesun­ken sind, sich in Chi­na mit der Abkehr von der Null-Covid-Poli­tik die Aus­sich­ten auf eine ste­ti­ge Expan­si­on ver­bes­sert haben und Lie­fer­eng­päs­se die wirt­schaft­li­che Akti­vi­tät nicht mehr unge­wöhn­lich stark behin­dern. Brem­send wirkt aller­dings die schar­fe Straf­fung der Geld­po­li­tik, die zu deut­lich höhe­ren Finan­zie­rungs­kos­ten geführt hat und die Aus­ga­ben­nei­gung verringert.

Quel­le: Insti­tut für Welt­wirt­schaft Kiel